Kunst-Welt

Kunstmarkt geht Online – und erschließt neue Käuferschichten

Die Pandemie hat vieles durcheinander gewirbelt und so einiges auf den Kopf gestellt. Entwicklungen, die sich ohnehin bereits angedeutet hatten, wurden beschleunigt oder bekamen den Turbo.

Modern Evening Auction bei Sotheby's im November 2021 plus neuer innovativer Onlineangebote. Bild: Sotheby's

E-Commerce, vor der Pandemie bereits ein starker Faktor, erhielt durch Corona einen immensen Aufschwung. Und so hat die Pandemie auch dem Kunstmarkt starke Veränderungen beschert.

Am schwersten hat die Pandemie den Messebereich mit seinen Ausstellungen getroffen. Auktionen waren in der bisherigen Form ebenfalls nicht mehr möglich. Doch diese Entwicklung zeigte auch neue Möglichkeiten. Noch bis vor geraumer Zeit führte der Online-Handel in den Auktionshäusern eher ein Schattendasein. Es war ein Nebengeschäft, mit dem man nur einen geringen Teil der Umsätze machte. Die Pandemie hat dazu geführt, dass der Kunstbereich erkannt hat, dass man mit den richtigen Mitteln den Verlust durch nicht stattfindende Präsenzveranstaltungen nicht nur auffangen, sondern gute Umsätze generieren kann, die sich mit den herkömmlichen Angebotsprofilen garnicht erreichen lassen. Die Digitalisierung im Kunstmarkt hat aber noch einen weiteren Aspekt. Menschen, die sich für Kunst interessieren, aber bisher den Weg zu den traditionellen Auktionen gescheut und von Besuchen in Galerien abgesehen haben, können nur ungestört im Online-Angebot stöbern und sich informieren.

Digitalisierung im Kunstmarkt generiert neue Kunstinteressierte und Sammler

Bastienne Leuthe, Senior Director Bastienne Leuthe, Senior Director, Sotheby´s Head Contemporary Art Germany Bild: Sotheby´s

Sie haben so nicht das Gefühl, in der ein wenig elitären Kunstwelt als unwissende Anfänger dazustehen. Jetzt können sie sich im eigenen zuhause an die Welt der Kunst herantasten und sich mit ihr vertraut machen. Damit erreicht der Online-Handel ganz neue Käuferschichten - und die sind jünger. 

Der Online-Handel erleichtert den Weg einer kunstinteressierten jungen Generation den Einstieg in die Welt der Kunst. Man schaut sich in Ruhe über Tablet, Smartphone oder Computerscreen im Kunstmarkt um, informiert sich über Künstler und Kunstwerke und gewinnt an Erfahrung sowie an Selbstsicherheit. So wächst der Mut, sich dann auch auf Vernissagen sowie auf Auktionen zu zeigen und am realen Kunstgeschehen mitzuwirken. Ohnehin sind jüngere Kunstinteressierte Internetaffin.

Allein die Anzahl von 12 Mrd. Smartphones weltweit, übersteigt die Zahl der Menschen auf diesem Planeten. Ob nun Smartphone, Tablet oder der heimische Computer - das Onlineangebot über diese Kommunikationstechnologien steigert das Potential enorm.

Durch die Digitalisierung werden junge Sammler weit besser erreicht. Sie bewegen sich hier in einer Welt, in der sie sich bestens auskennen. Als besonders kunstinteressiert zeigen sich die Millenials. Das sind Menschen, die in den achtziger und neunziger Jahre geboren sind und deren Karriere sich voll im Aufbau befindet.

Diese Generation wird später in der Regel ein weit höheres Einkommen erreichen und damit sehr zahlungskräftig sein.

Neue Umsatzdimensionen mit globaler Kundenresonanz

Die Digitalisierung im Kunstmarkt generiert neue Kunstinteressierte und Sammler. Die großen Auktionshäuser haben dies erkannt, bauen ihre digitalen Plattformen konsequent aus und erreichen so neue Dimensionen im Umsatz und in der weltweiten Kundenresonanz.

Bastienne Leuthe, Senior Director, Sotheby´s Head Contemporary Art Germany, sagt: "Die Einführung neuer innovativer Onlineangebote und Plattformen sowie die Umstellung auf ein hybrides Livestream-Auktionsformat in Verbindung mit modernster Technologie ermöglichten ein besseres Auktionserlebnis vor Ort.

Der Marktzugang wurde für eine noch nie dagewesenen Anzahl von Interessenten, etablierte Sammler und Neukunden zugleich, in den letzten 12 Monaten erheblich erleichtert. Seit Januar 2021 sind 39% der Käufer und 44% der Bieter neu bei Sotheby's. Auch eine jüngere Klientel hat diesen Markt für sich entdeckt, insbesondere im Luxussegment wie zum Beispiel im Bereich Juwelen, Armbanduhren, Sneaker und Wein.

Dieses Engagement führte dazu, dass Sotheby's 2021 mit einem Rekordumsatz von 7,3 Mrd. US-Dollar abschloss.

Kunst muss man heute über die Onlinekanäle präsentieren

Dr. Sebastian Neußer, Director Ketterer Kunst. Dr. Sebastian Neußer, Director Ketterer Kunst. Bild: Ketterer Kunst

Besonders freut es uns, dass wir in diesem herausragenden Jahr Auktionen in Deutschland einführten. Mit dem Palais Oppenheim, das neue Domizil von Sotheby's in Köln, ist das Auktionshaus neben London, Paris, Genf, Zürich und Mailand jetzt mit einem sechsten Auktionsstandort in Europa vertreten. Highlights aus den jeweiligen Auktionen in Köln werden in den prachtvollen Räumlichkeiten des Palais Oppenheim ausgestellt, so etwa im Frühjahr Werke und Objekte aus den Auktionen Modern & Contemporary Art und dem Nachlass von Karl Lagerfeld."


Auch Dr. Sebastian Neußer, Director Ketterer Kunst, betont die immense Bedeutung der digitalen Plattformen: "Ketterer Kunst führt als Digitalisierungspionier bereits seit 2007 Online Only-Auktionen durch. Die nun allgemein zunehmende Digitalisierung des Kunstmarkts und die kontinuierliche Erweiterung der Möglichkeit, Kunst auch online zu erfahren und zu erwerben, hat die Perspektiven in den vergangenen Jahren noch mehr geweitet. Insbesondere während der Pandemie waren Kunden, die zuvor nicht unbedingt über das Online-Bieten nachgedacht hätten, in der Lage, von zu Hause aus zu agieren. Die Resonanz war enorm.

Diana Corsaro MA, Vice Head of Digital & Stellvertretung Diana Corsaro MA, Vice Head of Digital & Stellvertretung Leitung Onlineabteilung, Dorotheum, Wien. Bild: Dorotheum Diana

Gleichzeitig sehen wir, dass eine jüngere Zielgruppe, die sich ganz natürlich und ohne Berührungsängste in der digitalen Welt bewegt, erst durch die neuen technischen Möglichkeiten ihren Weg zu uns findet. Das bestärkt uns, den schon vor vielen Jahren eingeschlagenen Weg weiter auszubauen und noch zielgerechtere Online Only-Offerten zu machen."

Wie erfolgreich die digitale Präsenz ist, zeigt das Dorotheum in Wien. Es konnte im Pandemiejahr 2021 sogar den besten Umsatz in seiner dreihundertjährigen Geschichte verzeichnen.



Corsaro MA, Vice Head of Digital & Stellvertretung Leitung Onlineabteilung vom Dorotheum, Wien, sagt dazu: "Das Dorotheum kann ja auf eine über 300jährige Tradition zurückblicken. Diese Erfahrung ist auch die Basis für unser Onlinegeschäft. Ganz unabhängig von der Pandemie kommt heute im Kunstmarkt niemand mehr daran vorbei, Kunst über die Onlinekanäle zu präsentieren. Und tatsächlich haben wir damit auch neue und jüngere Käuferschichten gewinnen können und Kunstinteressierte aus über 90 Nationen erreicht.

Die Verkäufe erstrecken sich von Werken im Wert von einigen hundert Euro bis zu absoluten Topverkäufen. So haben wir für ein Gemälde von Alighiero Boetti einen Verkaufspreis von 515.700 Euro in einer Onlineauktion erzielt. Wir können sagen, dass wir mit Unterstützung dieser Plattform im Jahr 2021 das beste Ergebnis in unserer Unternehmensgeschichte erreicht haben. Auch in der Pandemiezeit blieb der Kunstmarkt immer sehr stark. Unsere Onlineplattform werden wir kontinuierlich weiter ausbauen. In der digitalen Präsenz konnten wir im letzten Jahr 50% mehr Gebote im Live Bidding verzeichnen als noch im Jahr 2020.

Unsere hervorragenden Ergebnisse zeigen, wie erfolgreich unsere Digitalstrategie als größtes Auktionshaus im deutschen Sprachraum ist."

Prinzipiell lässt sich alles online veräußern

[Kunst-News] befragte auch Markus Eisenbeis, Geschäftsführender Gesellschafter von VAN HAM Kunstauktionen, zum digitalen Kunstmarkt.

Herr Eisenbeis, wie sind die Käuferschichten/Kunden im Online-Kunst-Markt und wie stellen sich Alterstrukturen und Preiskategorien dar?

Markus Eisenbeis, Geschäftsführender Gesellschafter von VAN HAM Kunstauktionen. Markus Eisenbeis, Geschäftsführender Gesellschafter von VAN HAM Kunstauktionen. Bild: VAN HAM

Das "Vorurteil" die Käufer im Online-Bereich seien überwiegend "jung & digitialaffin" stimmt nicht zwingend. "Wo Geld ist, wird Geld ausgegeben" - Wer Geld in Kunst investiert, tut dies auf verschiedenen Wegen, also sowohl über Präsenzauktionen, als auch über Online-Auktionen.

Bei VAN HAM liegt die "natürliche Preisgrenze" der Schätzpreis in den ONLINE ONLY-Auktionen bei etwa 10.000 Euro, Werke darüber werden über Präsenzauktionen versteigert (Beispiele der Top-ONLINE ONLY-Ergebnisse aus dem letzten Jahr: Gerhard Richter, 25.000 Euro, Dieter Roth knapp 30.000 Euro).

Erfahrungsgemäß sind Editionen und dreidimensionale Objekte de am leichtesten zu veräußernde Ware, aufgrund der Darstellung. Prinzipiell lässt sich aber alles online veräußern - es ist einfach ein anderer bzw. zusätzlicher Distributionskanal.

Wie unterscheidet sich die Online-Kundenstruktur von den Kunstliebhabern des traditionellen Kunstmarktes?

Der Kundenservice läuft überwiegend per E-Mail und hat für die Online-Kunden einen sehr hohen Stellenwert. Sie erwarten im digitalen Kundenservice sehr kurze Reaktionszeiten.

Diese schnellen Reaktionszeiten spiegeln sich im Verhalten der Kunden wider, indem die Online-Rechnungen ebenfalls umgehend beglichen werden (à la Sofortkauf-Prinzip). Ansonsten gibt es keine relevanten Unterschiede: beispielsweise sind die Käufer der ehemaligen Präsenzauktion "Discoversies" mit deren Überführung in die Online-Auktionen einfach mit "übergesiedelt".

Wie in jeder andere Branche auch, liegt der dauerhafte Erfolg auch darin, neue Käuferschichten zu erschließen und dafür die aktuellen technologischen Möglichkeiten konsequent zu nutzen. Der Online-Handel beinhaltet genau diese Möglichkeit - und er-langt dazu wesentlich größere Reichweiten. (RT)

       Quelle: Eberhard print & medien agentur gmbh, Rüdiger Thiel (RT)

 

 

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