Kunst-Welt

Christian und Karen Boros - ART COLOGNE-Preisträger 2024

Die Koelnmesse und der Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler geben Christian und Karen Boros als diesjährige ART COLOGNE-Preisträger bekannt.

Das Paar hat sich in herausragender Weise für die Vermittlung zeitgenössischer bildender Kunst verdient gemacht und wird mit dem Preis für seine Leistungen als Museumsgründer, Ausstellungsmacher und Buchverleger geehrt. Seit 2008 machen Christian und Karen Boros Teile ihrer Kunstsammlung durch Ausstellungen in einem ehemaligen Bunker in Berlin für die Öffentlichkeit zugänglich.


Portrait Karen und Christian Boros
Bild: Max von Gumpenberg

Christian und Karen Boros "Sammeln beginnt, wenn das Haus voll ist und man trotzdem weitermacht." Dieser Zeitpunkt begann, als Christian und Karen Boros einen Ventilator von Olafur Eliasson erwarben, der 1998 anlässlich der Berlin Biennale durch die Kuppel des Postfuhramts schwebte. 10 Jahre später eröffneten sie mit diesem Objekt ihren Bunker. Die Vorliebe für bewegliche Skulpturen hat sich das Paar bis heute bewahrt. 2020 pendelte eine Boje von Julius von Bismarck von der Decke durch die große Berghain-Halle und bildete den Auftakt der einzigartigen, von der Boros Foundation in Zeiten der Pandemie dort organisierten Ausstellung.

"Meine Frau war der Brandbeschleuniger einer Passion"

Christian Boros interessierte sich schon als Schüler für bildende Kunst und besuchte in den 80er-Jahren bevorzugt Kölner Galerien. Sein erstes Werk erwarb er auf der UNFAIR, einer Sondermesse der ART COLOGNE. Es war eine Arbeit von Damien Hirst. Es folgte eine Fotografie für 300 Mark von Wolfgang Tillmans, Lutz und Alex in den Bäumen, die heute zu den Schlüsselwerken des Künstlers zählt.

Noch bevor Christian Boros sein Studium bei Bazon Brock, dem originellen Action Teacher und Erfinder der Kunstvermittlung, in Wuppertal beendet hatte, gründete er 1990 seine eigene Agentur. Der Start mit Kampagnen für die Kulturszene, etwa für den Musiksender Viva, war so erfolgreich, dass bis heute Film- und Musikfestivals, Opernhäuser, Museen, Galerien und Stiftungen zu seinem Kundenstamm zählen.


Außenansicht Bunker
Bild: Boros Collection, Berlin © NOSHE

Auch bei Karen Boros verbinden sich Profession und Leidenschaft. Von einem Psychologiestudium in Australien wechselte sie in die Kunstgeschichte und begann in den 90er-Jahren für Galerien im Rheinland zu arbeiten. So lag es nahe, eines Tages Christian Boros auf der Newcomer-Kunstmesse Liste in Basel kennenzulernen und ihm eine Arbeit von Tobias Rehberger auf dem Stand der Galerie, für die sie dort tätig war, zu verkaufen.

"Meine Frau hat mich radikalisiert, sie war der Brandbeschleuniger einer Passion" - so Christian über Karen Boros, mit der er seither eine grandiose Sammlung internationaler zeitgenössischer Kunst zusammengetragen hat.

Bunker Berlin

Angeregt von den (Un-)Orten, an denen sich in den 90er-Jahren die Berliner Subkultur entfaltete, Ausstellungen stattfanden, Künstler ihre Ateliers hatten und immer etwas los war, begaben sich Christian und Karen Boros um die Jahrtausendwende auf die Suche nach einem Ort für ihre Sammlung. Die Entscheidung für den Bunker in der Berliner Reinhardstraße fiel 2003 und war alternativlos. Die Herausforderung, in einem massiven, aus 120 gleichförmigen Einheiten bestehenden Stahlbetonbau Ausstellungsräume mit unterschiedlichen Höhen und Tiefen für teils großformatige Kunstobjekte zu schaffen, war immens.

Der Bunker ist nicht irgendein Gebäude. Er wurde 1941 durch Zwangsarbeiter als Fluchtort für die Bewohner rund um das Areal der Friedrichstraße errichtet. Mit einer Dachplatte von drei und Außenwänden von fast zwei Metern bot der Bunker bis zu 4.000 Menschen Schutz vor dem Bombenhagel und blieb unzerstört. Nach 1945 wurde der Bau als Gefängnis, in der DDR-Zeit als Lager für Südfrüchte aus Kuba ("Bananenbunker") genutzt. Nach der Wende wurde er zum Hotspot für regelbefreite Techno- und Fetisch-Partys und galt als härtester Club der Welt. Mitte der 90er-Jahre wurde er geschlossen.

Bestand von über 1.000 Kunstwerken

"Dem Interesse an einem Kunstwerk geht eine Grenzerfahrung voraus, eine Fremdheit, die es nicht abzustoßen gilt."

Diese Maxime von Christian und Karen Boros findet in Gestalt des Bunkers ihren Widerhall. Er ist eine Hinterlassenschaft eines monströsen, durch den Nationalsozialismus ausgelösten Krieges. Dies wird durch seine Transformation nicht beschönigt: Die äußeren Ein-schüsse durch Granaten blieben ebenso erhalten wie die rohe Erscheinung im Inneren. Die Wahrnehmung der Architektur und der darin ausgestellten Kunstobjekte ist ambivalent: Irritation wechselt mit Faszination, Beklemmung mit Neugierde, Anziehung mit Abstoßung.

Seit seiner Eröffnung im Jahr 2008 finden im Vierjahresrhythmus Ausstellungen aus einem Sammlungsbestand von über 1.000 Kunstwerken von 183 internationalen Künstler:innen auf einer Gesamt-fläche von 3.000 qm statt.

Im Rahmen von über 50.000 geführten Besichtigungen mit den rund 40 Mitarbeiter:innen der ebenfalls 2008 gegründe-ten Boros Foundation konnten bisher 780.000 Gäste Teile der Boros Collection erleben.

Auch diese Zahlen sprechen für ein Konzept, von dem das kulturelle Leben in Berlin insgesamt profitiert - und mit dem auch der Denkmalschutz gut leben kann.

Boros Collection #4

Aktuell werden in der vierten Ausstellung im Bunker 27 Künstler mit insgesamt 114 Arbeiten gezeigt. Die Exponate gehen auf Erwerbungen seit den 2000er-Jahren zurück; ihre Schnittmenge ist die Auseinandersetzung mit dem menschlichen Körper. Wenig neuere, sondern eher klassische Medien - Malerei, Zeichnungen, Skulpturen und Installationen aus diversen, auch alltäglichen Materialien - sind zu sehen. Die Orthesen von Berenice Olmedo evozieren das Bild beeinträchtigter Kinder; eine einsam liegende Baggerschaufel von Cyprien Gaillard transformiert sich im Anblick zu einer Art Kehlkopf; der mediale Selbstbezug unserer Zeit erhält in den obszön ausstaffierten Puppen von Anna Uddenberg einen grotesken Ausdruck.

"Die genutzten Materialien und die aus ihnen geformten Objekte wirken wie Gegenstände, die aus ihrem ursprünglichen Koordinatensystem herausgespült und in einen Schleudergang geraten sind." Die Objekte begehren kein Wohlgefallen, aber die Wahrnehmung intensiviert sich an diesem Ort.

Man ist irritiert über die in Bronze umgesetzten Online-Spielfiguren von Bunny Rogers, man ist verwundert über einen braunen Haufen, der sich als Extrakt von tonnenweise eingekochter Coca-Cola entpuppt - womit der chinesische Künstler He Xiangyu seine Form der Konsumkritik gefunden hat. Einigen Positionen begegnet man hier erstmals. Dazu Karen Boros: "Wir haben viele Künstler in der Sammlung, über die kaum jemand spricht - aber für uns sind sie wichtig." Victor Man mit seinen rätselhaften Porträts hingegen hatte jüngst eine Ausstellung im Frankfurter Städel Museum.

STUDIO BERLIN

In der Pandemie lieferten Christian und Karen Boros den Beweis, dass sie gute Ideen nicht nur für schwierige Räume, sondern auch in schwierigen Zeiten realisieren können. Als die Berliner Clubszene unter dem Lockdown litt, präsentierten sie in dem legendären Technoclub Berghain unter dem Titel STUDIO BERLIN ab September 2020 eine atemberaubende Ausstellung. Yael Bartana, Tacita Dean, Alicja Kwade, Rirkrit Tiravanija, Anne Imhof, Isa Genzken, Klara Lidén, Wolfgang Tillmans und viele andere waren eingeladen, ihre in der Coronazeit entstandenen, medienübergreifenden Arbeiten im riesigen Dancefloor, in den Gängen, Bars und zahllosen kleineren Räumen zu zeigen.

Online gebuchte Kleingruppen-Führungen lösten einander ab und neben den verordneten Schutzmaßnahmen herrschte das berghainübliche Fotografierverbot.

In einer Zeit massiver Kommunikationsbeschränkung bot die von Karen Boros kuratierte Ausstellung über einhundert in Berlin lebenden Künstler:innen nach Monaten der Isolation wieder ein Publikum - und diesem ein Kulturevent der Extraklasse. Ein Glück für alle, die das Berghain vermissten und für jene, die sich bisher nicht hereintrauten. Der Katalog zu STUDIO BERLIN, der das Ausstellungsprojekt im Ausnahmezustand dokumentiert, ist längst vergriffen. (KM)

   Quelle: Koelnmesse GmbH (KM)

 

 

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